Ausstellung Klosterkirche

Laudatio, gehalten von Eike Küstner, Erfurt zur Eröffnung der Ausstellung am 15.04.2016:

Kunst und Kirche im textilen Dialog

Zwei Frauen stellen hier in der Klosterkirche Thalbürgel ihre textilen Kunstwerke aus, zumeist Wandarbeiten aus den unterschiedlichsten textilen Techniken. Sie reagieren damit künstlerisch selbstbewusst und trotzdem bewusst zurückhaltend auf die Schlichtheit und Erhabenheit einer der wichtigsten romanischen Kirchen Thüringens: Katrin Knape aus Jena und Andrea Uhlmann aus Suhl.

Das Ausstellungssujet mag auf den ersten Blick ganz tradiert klingen, zumal textile Techniken zumeist dem weiblichen Geschlecht vorbehalten sind, Katrin Knape nannte dafür den oft bei Gesprächen über ihre Arbeiten negativ mitschwingenden Begriff, das gängige Klischee oder nennen wir es doch offen Vorurteil: Hausfrauenarbeiten. Die Jenenserin Katrin Knape und die Suhlerin Andrea Uhlmann arbeiten seit Jahren an und mit den Materialien Textil, sie geben dem Material  eine Bannbreite, die es immer wieder auszuloten gilt. Das feine und grazile Bild des stichelnden Fräuleins zwischen Stickrahmen und gepflegter Konversation bestimmt viel zu sehr den Begriff der Textilkunst, der auch heute noch sehr häufig als Kunsthandwerk oder Gebrauchskunst in einer Kunsthierarchie am unteren Ende verortet wird.

Textilien entstehen, wenn Fäden zu offenen oder geschlossenen Flächen verflochten, vernetzt, verknüpft, verwebt werden. Sollen sie ein Volumen einnehmen oder gar Körper bilden, brauchen sie einen Halt, die Fahne die Fahnenstange, das Kissen die Füllung, das Zelt sein Gerüst, die Kleidung den Körper, den sie umhüllt. Doch neben dem materiellen Gerüst benötigen Textilien auch ein geistiges Gerüst.

Beide Frauen sind Bauingenieurinnen und damit bodenständige und zugleich analytische Arbeit gewohnt, ein gemeinsamer dreijähriger Kurs „Künstlerische Textilgestaltung“ bei einer Textildesignerin hat ihre enge Zusammenarbeit mit begründet.

Mit den starken hellen Filzplatten, um einen Grabstein drapiert, stellen sie sich hier in Thalbürgel mit einer Gemeinschaftsarbeit vor: Die bestechenden Oberflächen der quadratischen und 3 cm dicken Platten beweisen den Betrachtern auch, dass Filz nicht der Panzer für Jacken oder Handschuhe sein muss, in denen das Schwitzen vorprogrammiert ist und die Trägerin grazil wie eine Walküre wirkt, das Allerleihrauh der Moderne. Die Filzwolle wird zum Grundstock für die plastische Bearbeitung eines Themas, der Fingerzeig, dass sich ein Textil als freie künstlerische Arbeit den Weg bahnt, sich in die Umgebung bettet und die bleierne Zweckgebundenheit hinter sich lässt. Die quadratischen Platten mit ihren besonderen Oberflächen betonen mit dem Grabstein ein architektonisches Element der Kirche. Die Filzplatten erreichen ihre unterschiedliche Ästhetik durch die Kombination verschiedener Fasern mit Einschlüssen. Die Technik des Filzens bewirkt die leichten und zugleich schönen Unregelmäßigkeiten der quadratischen Form.

Und im Gegensatz zu dem tradierten Bild des stichelnden Fräuleins aus dem 19. Jahrhundert gilt es hier eine körperlich sehr schwere Arbeit zu bewältigen, eine, die einen vollen Einsatz fordert. Zugleich fordert vor allem das Filzen die genaue Kenntnis des Materials, damit es sich zu einem plastischen Körper mit der bestechenden Haptik wandelt. Das zweidimensionale Arbeiten ist mit Filz kaum möglich, erfordert das Material doch das Übereinanderlegen vieler Schichten. Schichten, das Übereinander verschiedener Lagen, dies mag das Bild einer Kirche auch widerzuspiegeln: Hier finden sich die Erlebnisschichten von kontemplativen Elementen, von Erfahrungshorizonten, von verschiedenen Wort- und Architekturelementen. Dass die Schrift – das Wort - als eine der Grunderfahrungen des Glaubens eine große Rolle in der Kirche spielt, ist unbestritten. Die Spiele mit der Schrift setzt Andrea Uhlmann mit ihren dreidimensional schwebenden Symbolen aus Filz fort, Schriftelemente, freie Zeichen bilden einen Teppich für Assoziationen, ein fast babylonisches Gewirr an Zeichen. Eine zarte Leinenweberei – mit Papier kombiniert - „Schlechte Nachrichten“ nimmt das Motiv der Schrift noch einmal im Titel auf. Das wunderbar leichte Gewebe wirkt wie verletzt, die ungewöhnliche Kombination von Papier und Leinen gibt ihr eine besondere Ausstrahlung.

Die in Suhl lebende Textilgestalterin zeigt uns in dieser Ausstellung eine breite Palette der Möglichkeiten von Filz, mal ganz grafisch mit einem gitterartigen Motiv, mal ganz filigran wie in der Arbeit, die mit dem Motiv der Waben spielt, mal ganz plastisch wie die Rosetten oder die wabenförmigen Gebilde. Es ist wie bei ihrer Arbeitspartnerin ein Spiel der Möglichkeiten, eine Auslotung der verschiedenen ästhetischen Ansprüche.

Katrin Knape aus Jena stellt sich neben der schon kurz skizzierten Gemeinschaftsarbeit mit einer weiteren Filzarbeit vor: Zartere Filzplatten mit verschiedensten Materialien wie Textil, Plaste oder Metall erinnert an den Rhythmus von Glasfenstern. Seide und Filz werden zu einer Erinnerung an das Leben einer Freundin. Daneben öffnet sich hier eine ganz andere Welt des Textils auf: Ihre Patchworkarbeiten bestehen aus schmalen farbigen Seiden, die in Streifen miteinander verbunden sind und an wunderbare Landschaften wie Wasseroberflächen denken lässt oder freie Assoziationen auslösen. Die bewusst herab hängenden Fäden weisen auf das Material hin, lassen die Näharbeit auch plastisch werden und verleihen ihr eine faszinierende Haptik. Der Begriff Patchwork verbindet sich in unserem Erfahrungsschatz eher mit Quilts. Katrin Knape zeichnet oder malt eher in kräftigen Farben mit Stoffen, nutzt die Materialität als bildnerische Aussage. Die unterschiedliche Lage der Stoffe nutzt das Spiel mit dem Licht. Ähnlich in der Technik ist die jüngste Arbeit dieser Nähexperimente gestaltet, jedoch die Verwendung von Papier als stoffliche Basis gibt ihr eine ganz andere Sinnlichkeit.

Das crossover der Techniken ermöglicht das Neue. Wenn man von den Techniken hört, Weben, Filzen, Patchwork, Papierschöpfen, dann fühlt man sich zumeist in die Welt der Großmütter zurück versetzt und dies ist natürlich auch mit einer angenehmen Behaglichkeit verbunden, aber auch mit einer Zweckorientierung, die Socken sollen wärmen, der Pullover auch, die Topflappen helfen der fleißigen Hausfrau ihre Hände zu schonen. In den letzten Jahren ist eine Renaissance der textilen Techniken zu beobachten, die auch vor den kommerziellen Galerien nicht Halt macht. 

Handarbeit im Sinne von Arbeit mit textilem Material ist hier nicht mit dem biederen Hausfrauencharme zu sehen, sondern verbindet der Hände Arbeit mit des Kopfes Überlegungen und dem eigenen Empfinden für Gestaltung. Textile Plastiken oder Malereien zeigen auf, das scheinbar Fragile, das uns auf den ersten Blick Unvereinbare wird hier überlistet.

Bei den textilen Arbeiten der beiden Frauen treten die funktionellen Aspekte deutlich in den Hintergrund; Material und textile Technik rücken in den Vordergrund, es werden Struktur, Farbigkeit und Haptik sinnlich betont. Der Begriff Angewandte Kunst, unter dem Label findet sich der Bereich der Textilkunst immer noch, hat inzwischen ausgedient, die Überschneidungen zu anderen Kunstformen wie der Plastik, sprich der dreidimensionalen Gattung, der grafischen Gestaltung oder der malerischen Umsetzung geben ihr einen anderen Stellenwert. Material und textile Techniken rücken als Selbstreferenz in das Interesse der Gestaltungen.

Ich erspare Ihnen den Vergleich mit dem Aktionskünstler und Schöpfer des erweiterten Kunstbegriffs Joseph Beuys, der immer wieder in seinen Kunstwerken Filz verwendet hat. Aber ein Aspekt, um dessen Willen Filz von diesem Urvater seinen Kunstkosmos bereichert hat, sei herausgegriffen, die Wärme. Textile Techniken strahlen diese aus und wahrscheinlich finden sich diese deshalb auch immer wieder in sakralen Räumen als Paramente. Die textilen Kunstwerke von Katrin Knape und Andrea Uhlmann werden auch dies in dieser großartigen Kirche unter Beweis stellen können.

Zurück